• "Ich denke selbst, um nicht von anderen gedacht zu werden."

Paternologie

Paternologie ist eine Forschungsrichtung (nicht nur der Soziologie), die sich basisorientiert und (selbst-) kritisch mit den vielfältigen direkt in Erscheinung tretenden wie bewusst oder unbewusst verborgen gehaltenen Formen, Strukturen, Institutionen patriarchaler Gesellschaften sowie den in diesen und durch diese sozialisierten Menschen befasst.

Paternologie stellt - unter den nach wie vor unausweichlich vom Patriarchat und seinen Wertsetzungen bestimmten Gegebenheiten der Gegenwart - eine, wenn auch erst noch detailliert zu erstellende und mit Daten und Fakten aus dem patriarchalen Denken, Fühlen, Handeln zu belegende Grundlagen- wie ‚Horizont'-Wissenschaft dar. Sie soll nicht zuletzt dazu beitragen, künftige Generationen aus subtil geknüpften patriarchalen Fesselungen zu befreien.

Patriarchat wirkt in uns und um uns fort, eine Grundannahme heutiger Gesellschaftswissenschaften. Ist aber die patriarchale Grundbefindlichkeit aller Menschen individuell wie gesellschaftlich so wirkmächtig, wie gegenwärtig in der Frauen-, Männer- und Genderforschung zunehmend erkannt und beschrieben wird, erstaunt es, wie selten sich Wissenschaften (z. B. die Soziologie) grundsätzlich mit den Patriarchaten beschäftigten. Doch gibt es starke Impulse in patriarchalen Gesellschaften (und bei ihren Meinungsbildnern), kein Wort über die Wirklichkeit des eigenen Systems und der eigenen individuellen Befindlichkeiten zu verlieren. Die patriarchale Tradition bewährt sich noch immer in der Verhüllung ihrer Herrschaft.

Umso deutlicher und problembewusster stellt sich die Paternologie dieser einen, unvergleichlich prägenden Grundbefindlichkeit. Sich konsequenter denn je mit patriarchalen Daten, Fakten und Hintergründen zu befassen und eine umgreifende Inspektion dieser mächtigen Herrenkultur anzugehen, kommt dem Entdecken und Erstellen einer Geheimgeschichte der Menschheit gleich.

Zum einen geht es um eine grundsätzliche Theorie patriarchaler Gesellschaften, z. B. um das Problem der Herrschaft von Vätern (etymologisch: Patriarchat) - und nicht nur der von Männern, um die Definitionsgewalt bestimmter Gruppen von "Wertevätern", um die sogenannten "Krisen des Vaters" (die oft als bloße Nutzkrisen vermarktet werden), um bestimmte Inhalte, Ziele und Prozesse der patriarchalen Pädagogik (vor allem auf Gehorsam ausgerichtet), um gesellschaftliche Defensivinstitutionen, die - wie Ehe, Familie, Schule, Kirche, Staat - die traditionellen Werte des Patriarchats stabilisieren und tradieren.

Zum anderen ist vor allem das - so gut wie unbehandelte - Problem der Zusammenhänge von Liebe und Gewalt in patriarchalen Gesellschaften anzugehen. Hinzu treten Überlegungen über bestimmte Solidaritätsappelle und -formeln ("Mann bleibt Mann"), die Patriarchat stabilisieren - und dies zu Lasten von Frauen und Kindern.

Auch bietet sich das Forschungsgebiet der "kreativen Ängste" an: Inwiefern hat die "Angst der Männer vor den Frauen" (und deren Überlegenheit) dazu geführt, dass Patriarchen sich eine ganze Welt mit allem, was dazu gehört (bis hin zu monotheistischen, patriarchalen Religionen), zu erschaffen und die vorfindliche (Natur) auszubeuten?